Megalithkultur

Kulturelle Merkmale und Besonderheiten

Vorbemerkung

Die Megalithkultur ist eine Kultur ohne Schrift!

Verlässliche Aussagen über diese Kultur sind wesentlich schwerer zu machen, als z.B. über die ägyptische Kultur mit ihrem enormen Reichtum an Funden und Schriften. Nun ist aber unter Kultur nicht nur dasjenige zu verstehen, was man ausgraben kann. Fundstücke sind ja nur der sichtbare Teil dessen, was in der jeweiligen Kulturepoche an seelisch – geistigen Fähigkeiten bzw. Unfähigkeiten vorhanden war. Für das Wesen der Megalithkultur sind daher auch jene Erzeugnisse wichtig, die in dieser Kultur nicht vorzufinden sind, bzw. auf Grund ihrer Natur nicht vorgefunden werden können. Zum Letzteren zählen in allen Kulturen die Künste, die in der Zeit verlaufen. Also Gesang, Musik, Tanz und wenn, wie hier, keine Schrift vorhanden ist, auch die mündliche Literatur. Wohingegen die Künste, die den Raum gliedern und gestalten, also Architektur, Plastik und Malerei an die Materie gebunden sind und in irgendeiner Form ausgegraben oder freigelegt werden können.

Räumliche Künste - wenige Ausgrabungen

Für die Megalithkultur lautet hier der allgemeine Grabungsbefund: es gab so gut wie keine Plastik, keinerlei nennenswerte Malerei und keine Architektur im herkömmlichen Sinne. Neben Asche und Knochenresten findet sich gelegentlich etwas Schmuck, in der Bronzezeit auch schon mal Waffen und hin und wieder Gefäße. Dies sieht nach einem extrem mageren Befund aus und damit könnte für einen Archäologen das Thema Megalithkultur abgehandelt sein, wenn da nicht diese riesige Anzahl von steinernen Anlagen wäre.

Man geht alleine in Dänemark von einer Größenordnung von weit über 10000 (!) Steinsetzungen aus – allein die Zahl der heute noch im skandinavischen Raum bekannten Anlagen beträgt über Tausend.

Einige Archäologen beginnen langsam zu lernen, dass die Abwesenheit von materiellen Grabungsfunden nicht immer gleich Kulturlosigkeit bedeuten muss (siehe auch der Abschnitt über die Reichseinigung - Ägypten). Und so gilt für die Entschlüsselung der Megalithkultur ganz besonders: „Hirnschmalz ist der bessere Spaten.“

Zeitliche Künste - reiches Material

Wenn also nun die räumlichen Künste nicht vorhanden waren, dann richtet sich das Augenmerk auf die zeitlichen Künste. Und hier werden wir in der Tat fündig. Denn die ganze Mythologie jener Zeit hat sich in einer Reihe von Überlieferungen erhalten, die später schriftlich niedergelegt worden sind. Zwar nicht immer vollständig und den ursprünglichen Sinn nicht immer erfassend, aber vollkommen ausreichend, um zu bemerken: die ganze Kultur des nord- und nordwesteuropäischen Raumes war eine Kultur des Wortes, der Gesänge und der Tänze. (Dies gilt auch für weite Teile Mitteleuropas.)

Alles, was an bedeutungsvollen Inhalten zum Ausdruck gebracht werden sollte, wurde in die Form des Wortes, des Gesanges und des Tanzes gebracht.

Das magische Wort, der heilende Gesang, der kultische Tanz, das war die Luft, die eine megalithische Seele zum atmen brauchte. So taucht sogar noch in viel späteren kulturverwandten Zusammenhängen der Begriff des Gesanges, bzw. des Liedes auf (z.B. Hildebrand-Lied, Nibelungen-Lied). In anderen Fällen geschieht die Kapiteleinteilung nach 1. Gesang, 2. Gesang, 3. Gesang usw. Der Begriff des Barden, des Sängers gehört hierher. In Finnland ist sogar noch im 20. Jahrhundert das Nationalepos, die Kalevala, in der Form des rhythmischen Sprechgesanges (stundenlang und auswendig! (siehe PISA Studie ;-) vorgetragen worden. Wer heute z.B. in Dänemark einem großen Familienfest beiwohnt, der kann erleben, wie die ganze Festgesellschaft problemlos eine Anzahl von Liedern mit jeweils 10 bis 20 Strophen singen kann. Und vielleicht ist ein allerletzter Rest jenes gesungene „Heile, heile Segen ...“, das uns im Kindesalter über den Schmerz hinweghalf.

Diese Kultur war ganz ausgerichtet auf das Erleben von zeitlichen Vorgängen, von Rhythmen, von Bewegung und Veränderung aller Art. Das Unveränderliche zu schaffen, musste dem Megalithiker als der falsche Weg erscheinen. Denn das Unveränderliche ist tot. So besteht keinerlei Bedürfnis, etwas aufzuschreiben, etwas zu malen, eine Plastik zu formen. Dort, wo dies dennoch nötig war, bei der Herstellung von Gefäßen, wurden entsprechend umfangreiche rhythmische Muster angebracht, wobei das Aufbringen der Muster selbst schon wieder ein rhythmischer Vorgang war. Fast möchte man meinen, dass es der Megalithiker anders gar nicht gekonnt, gar nicht anders ertragen hätte. Aktion reiht sich an Aktion. Den einzelnen "Ton" selbst scheint es nicht zu geben, sondern nur durch die "Intervalle" dazwischen wird die Welt wahrgenommen und erlebt.

Eine Kultur des Helden

Ein weiteres wird aus den Überlieferungen deutlich. Diese Kultur betont das Ideal des Helden, der ruhmreich, siegreich vom Raub/Kriegszug oder auch vom Handelzug heimkehrt. Was die Handelszüge betrifft, so sind ab dem 4. Jahrtausend rege Beziehungen in entfernte Gebiete nachzuweisen. Da für die Überfahrt zwischen England, Irland und zum europäischen Festland nur relativ bescheidene Boote zur Verfügung standen, zeigt sich neben der Reisefreudigkeit auch eine erhebliche Portion an Wagemut. Dieser ist auch viel später noch, zur Wikingerzeit erkennbar. Eine Fahrt in offenen (!) Booten über den nördlichen Atlantik bis nach Grönland und, wie man längst weiß, bis nach Amerika, wäre einem Ägypter nicht im Traum eingefallen. Dort hatte man ganz andere Ideale: „Scheibe bei Tag, lies in der Nacht, meide die Musik und den Tanz, dann wirst du ein guter Beamter werden.“

Das sich einordnen, gar unterordnen unter eine Hierarchie wäre dem Megalithiker ein Graus gewesen, lebte er doch in Einzelgehöften und Streusiedlungen ohne jede staatliche Organisation. Dem Megalithiker ist der Begriff der Verwaltung, der Ordnung, der Systematik völlig fremd. Das äußerste zu dem er bereit war, waren vorübergehende Zusammenschlüsse z.B. zu Kriegsgemeinschaften mit einem Führer. Dies aber auch nur solange, wie die Notwendigkeit dafür bestand. Danach lösten sich solche Gruppen sofort wieder auf. Dauerhafte Einrichtungen dieser Art wurden als Einschränkung der Freiheit abgelehnt. Diese Grundhaltung, die noch zur Zeit der Römer in Germanien vorherrschte, wurde von diesen wiederum als Disziplinlosigkeit, als Barbarei erlebt.

Es sei an dieser Stelle der Begriff des Berserkers erwähnt. Der Begriff bedeutet „Bärenhemdiger, der mit dem Bärenfell bekleidete“ und bezeichnet einen Kämpfer, der einem besonderen Kult angehörte, durch den er im Kampf einen Ekstasezustand erreichte. In diesem Zustand konnte er mit der Kraft eines im Wortsinne „Verrückten“ kämpfen, ohne jede Rücksicht auf die eigene Person. Zwar führte diese ungezügelte Wildheit anfänglich zu Erfolgen auf dem Schlachtfeld, auf die Dauer siegte jedoch die aus dem übergeordneten Staats- und Führungsgedanken gespeiste Fähigkeit der Römer strategisch denken und koordiniert handeln zu können.

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