echn-aton.de
Beiträge zur Bewußtseinsgeschichte der ägyptischen Kultur

Das Menschenbild

2. Der lebende Mensch

Es müssen gewisse Eigenschaften vorliegen, damit man von Leben sprechen kann. Zumindest müssen Stoffwechsel und Reproduktionsfähigkeit vorhanden sein. 

Alle Lebensvorgänge finden prinzipiell im Rhythmus statt. 

Herzschlag und Atmung sind nur die bekanntesten Beispiele hierfür. Auch andere Organe sind Rhythmen unterworfen. Die Leber ist am Tage aktiv und die Nieren nachts (weshalb wir in der Regel morgens aufs Klo müssen ;-).

Leben kann man nicht in Tüten abfüllen. 

Das Wesen des Lebens ist quantitativ nicht erfaßbar. Es kann nur qualitativ erfaßt werden. Diese Qualität des Lebens haben wir gemeinsam mit dem nächsten Naturreich, dem Pflanzenreich.

Ein Lebewesen ist immer ein Organismus

Die Form der Erkenntnisgewinnung bei Organismen ist schwieriger und unterscheidet sich grundsätzlich von der bei Mechanismen. Bei einem Auto z.B. nützt die genaue Kenntnis des Getriebes gar nichts, wenn ich die Aufgabe habe, die Zündung zu reparieren. Beim Mechanismus muß ich immer den ganzen Mechanismus kennen, wenn ich ihn verstehen will. 

Bei Organismen hingegen, bildet sich immer der ganze Organismus in jedem seiner Teile ab. 

Wenn ich hier einen Teil tief genug verstanden habe, dann kann ich auch die anderen Teile des Organismus verstehen. So sind z.B. im Idealfall manche Paläontologen in der Lage, aus vergleichsweise wenigen Knochenfunden auf das ganze Tier zu schließen und es unter Umständen sogar zu rekonstruieren.

1. Nebenbemerkung:
Da die heutige Wissenschaftsmethode, insofern sie rein quantitativ vorgeht, schon diese zweite Stufe, bei der es um Qualitäten geht, erkenntnismäßig nicht mehr erfassen kann, wenden sich heute viele Menschen an die Erkenntnisse aus anderen Kulturen. Die Buchhandlungen sind mit entsprechender Literatur aus indianischen, keltischen, schamanischen, indischen oder chinesischen, sowie mittelalterlichen und antiken Kulturen weitaus besser bestückt, als mit den Erzeugnissen, die aus dem heutigen Wissenschaftsbetrieb westlicher Prägung hervorgehen.

Die alte ägyptische Kultur hatte von diesem Wesensglied eine deutliche Vorstellung. Die Gesamtheit der Lebensprozesse wurde als „KA“ bezeichnet.

Ka.jpg Hieroglyphe KA

Wenn man bedenkt, daß dieses Lebensprinzip in der Lage ist, einige Naturvorgänge außer Kraft zu setzen, kann man besser verstehen, daß in alten Kulturen ganz konkret von geistigen Kräften die Rede sein konnte. (Da unsere heutige Fähigkeit zur begrifflichen Abstraktion auf der damaligen Entwicklungsstufe der Menschheit noch nicht ausgebildet war, konnten diese Kräfte immer nur bildhaft und personifziert in Form höherer Wesen vorgestellt werden.) Solange nämlich dieser "KA" im Körper ist, verwest der Körper nicht. Erst wenn das Leben den Körper verlassen hat, setzen die chemischen Zersetzungsvorgänge ein. Die Chemie der unbelebten Materie gilt anscheinend nicht durchweg genauso für die belebte Materie.
2. Nebenbemerkung:
Die Erkenntnisgewinnung im Bereich der Qualitäten kann bereits erhebliche Anstrengung mit sich bringen. Denn die Naturwissenschaften haben bisher kaum Traditionen auf diesem Gebiet entwickelt. Dies ändert sich allerdings langsam. Unsere ökologischen Probleme können mit dem alten linearen Denken nicht mehr gelöst werden. Daher fordert heute schon jede bessere Diplomarbeit das vernetzte Denken. Die Notwendigkeit zur Abkehr vom eindimensionalen, kausalen Denken und zur Hinwendung zum mehrdimensionalen, imaginativen und womöglich sogar zum finalen Denken, wird besonders innerhalb einer jüngeren Forschergeneration immer häufiger gesehen.

Handlungen, die auf dieser Ebene stattfinden, bezeichnet man als Trieb.

Jeder Lebensorganismus hat solche naturhaften Triebe. Alle Handlungen, die direkt der Erhaltung des elementaren Lebens und der Erhaltung der Art dienen, sind Triebhandlungen. Sie laufen zwar zum überwiegenden Teil noch mit einer gewissen Naturnotwendigkeit ab, aber wir haben, wenn wir wollen, schon einen deutlichen Einfluß auf die Art und Weise, wie wir diesen Trieben erlauben, sich auszuleben.
Zwar kann der Mensch nicht einfach aufhören zu atmen, und er kann nicht beliebig sein Herz stillstehen lassen. Auch ist der Einfluß auf seine Verdauungstätigkeit oder die Fülle seiner Haarpracht beklagenswert gering. Aber er kann zumindest in die Rhythmen einiger seiner Lebensfunktionen eingreifen. Schlaf, Atmung, Ernährung, Fortpflanzung, alles dies kann bereits, in gewissen Grenzen, bewußt geregelt werden und hat somit Auswirkungen auf die Qualität dieser Lebensprozesse. 
Hier, auf der zweiten Ebene, ist bereits ein erster deutlicher Freiheitsgrad erreicht.

Auch hier bleibt wieder festzuhalten, daß dies in der Regel nicht durch direkten Eingriff in die Lebensfunktionen möglich ist. Der Einfluß geschieht von einer höheren Ebene aus. (siehe nächster Beitrag: "Der fühlende Mensch")

Die Praxis eines phänomenologischen Menschenbildes:


An einem konkreten Beispiel soll nun im Einzelnen gezeigt werden, wie sich bereits dieser zweite Teil des im Moment noch unvollständigen Menschenbildes in unserem heutigen Alltag als Urteilsgrundlage bewähren kann. Das Beispiel zeigt die weitreichenden Folgen für unser soziales Leben und das Leben des Einzelnen auf, wenn der Unterschied zwischen Quantität und Qualität erkenntnismäßig und logisch nicht sauber erfaßt wird.


Zu Beginn der Neuzeit fand, auf höherer Stufe ein ähnlicher geistiger Umschwung statt, wie zur Zeit Echnatons. Dieser Umschwung wurde als Befreiung erlebt, die dann später, in der französischen Revolution, auch ihren politischen Ausdruck fand. Besonders in den damaligen Wissenschaften wurde dieses neue Weltgefühl als Befreiung von theologischer Bevormundung erlebt und es setzte, man könnte fast sagen, eine hektische Tätigkeit auf allen Feldern der Wissenschaft ein.

Der Kernsatz der neuen Wissenschaftsdoktrin lautete jetzt :

"Alles messen, was zu messen ist und meßbar machen, was noch nicht meßbar ist" (Galilei)

Dieser Auspruch Galileis ist der Geburtsmoment aller quantitativ orientierten Wissenschaft und gilt, teilweise sogar in gesteigertem Ausmaß, auch heute noch.

In Bezug auf meßbare Größen ist das auch kein Problem, aber wie mißt man Qualitäten im Sinne Galileis?

Ein Körper, der belebt ist, ist ja dadurch zum Organismus geworden.

Da sich nun beim Organismus das Ganze immer in allen seinen Teilen abbildet, bildet sich somit das Leben auch im materiellen Körper ab. Das heißt, im belebten Körper kommen jetzt Substanzen vor, die in der unbelebten Materie nicht vorkommen. Das sind, pauschal gesprochen, alle organischen Substanzen, wie Gewebe, Blut, Hormone, Enzyme, Sekrete und ähnliches mehr.

Die materiellen Eigenschaften dieser Substanzen sind jetzt natürlich meßbar, zählbar, wägbar. Damit sind zwar erst die Quantitäten erfaßt und die Erkenntnis der Qualität ist bei dieser Methode auch weiterhin nicht möglich. Aber das ist in keiner Weise zu kritisieren. Zur Erkenntnis des Ganzen gehört selbstverständlich auch die Erforschung des materiellen Teiles.

Zu kritisieren wäre jedoch der Anspruch, mit der zahlenmäßigen Erfassung, das Leben auch in seiner qualitativen Eigenschaft, d.h. in seinem eigentlichen Wesen, erkannt zu haben.

Nun gibt es jedoch Forscher, wie etwa Peter Singer, die das Qualitätsproblem auf ihre persönliche Weise lösen und sinngemäß etwa so argumentieren :
"Wenn ich mit meiner Methode Qualitäten nicht erkennen kann, dann gibt es auch keine Qualitäten." (siehe dazu besonders das letzte Zitat von Norbert Hörster weiter unten auf dieser Seite)

3. Nebenbemerkung:
Dies ist exakt die Logik des damaligen sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin (erster Mensch im Weltraum): "Ich habe keinen Gott gesehen, also gibt es ihn nicht." - Für einen naturwissenschaftlich geschulten Verstand ist diese Logik, man verzeihe den Ausdruck, kindisch. Sie entspricht in etwa, nur in umgekehrter Weise, der Logik des Kindes, das sich die Augen zuhält und damit der Meinung ist, man könne es nicht mehr sehen.

Dies gilt ganz unabhängig davon, ob man, rein persönlich, der inhaltlichen Aussage des Zitates zustimmen möchte oder nicht.
(Ein russischer Gehirnchirurg schrieb damals in einem Leserbrief, er habe schon viele Gehirne operiert, aber er habe noch nie einen Gedanken darin gesehen.)
Richtig gefährlich wird die Sache jedoch, wenn in populärwissenschaftlichen Darstellungen das Leben selbst mit den Eigenschaften seines materiellen Trägers gleichgesetzt wird. Dann entstehen schnell die Fragen nach der Bewertung des Lebens unter materiellen Gesichtspunkten: "Was kostet die Pflege eines alten Menschen?" "Wieviel ist das Leben eines behinderten Menschen wert?" "Ist es "lebenswert" oder "lebensunwert"?.
Damit hier nicht die Vorstellung aufkommt, es sei nur von unserer sog. "bewältigten Vergangenheit" die Rede, hier einige Zitate aus neuerer Zeit:

Zitat:
"Es gilt, den auf überholter Grundlage errichteten Begriff der Unverletzlichkeit des Lebens abzulösen durch eine rationale Ethik, die den wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen der modernen Zeit angemessen ist. Im Rahmen dieser Ethik ist es möglich und notwendig, lebenswertes und lebensunwertes Leben zu unterscheiden und das lebensunwerte zu vernichten."

Dr. Helga Kuhse, Mitarbeiterin von Peter Singer am Centre for Human Bioethics, Australien; Präsidentin der "World Federation of Right-to-Die Societies"

Zitat:
"Nach der von mir vertretenen ethischen Grundkonzeption steht keinem einzigen Fötus, Frühgeborenen oder Neugeborenen um seiner selbst willen das Recht auf Leben zu."
Norbert Hoerster, Rechtsphilosoph: "Neugeborene und das Recht auf Leben". FfM 1995, S.63

Zitat:
"Einige Leute scheinen zu meinen, daß es auch einen Lebenswert ganz unabhängig von den Bewertungen oder Wertschätzungen durch menschliche Wesen gibt. Diese Meinung ist eine durch nichts begründete Illusion. Ein dem Menschen vorgegebener, metaphysischer oder religiöser Lebenswert ist auf rationalem Wege nicht erfaßbar." (Hervorhebung vom Verfasser dieser Seite)
a.a.O. S.118 (Man beachte den Titel des Buches, sowie die Tätigkeit des Autors.)

Hier fällt auf, daß ein Rechtsphilosoph zum Ausdruck bringt, daß seine Methode rational sei und andere Methoden es, seiner Meinung nach, offenbar nicht sind. Damit macht er sich zweifellos der Ideologie verdächtig. Die ebenfalls in dem Zitat enthaltene Überheblichkeit ist vom Standpunkt dieser Betrachtung aus ohne Belang.
Was hier allerdings von Belang ist, ist der, bei Ideologien häufig anzutreffende, schlampige Umgang mit elementaren Grundlagen der Erkenntnistheorie. Ein Forschungszweig, der sich bewußt auf eine rein materialistische Weltauslegung beschränkt, kann logischerweise keine wissenschaftlichen Aussagen über nicht materielle Bereiche machen, die sich seinem Forschungsgegenstand entziehen, wie z.B. ethische Fragen über den Wert des Lebens, oder auch, wie bei Peter Singer, Fragen nach einer "zu erwartenden Summe des Glücks". Solche und ähnliche Grenzverletzungen sind nach den strengen Regeln wissenschaftlichen Denkens wenig seriös.
Wenn nur die materiellen Aspekte des Lebens erfaßt werden, muß es zu erheblichen Unsicherheiten kommen, was das Lebensende betrifft.
In der klassischen Auffassung, daß das Leben beendet sei, wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen, wird das Leben noch mit dem Rhythmus des Herzschlages in Verbindung gebracht. Hier folgt die praktische Anschauung noch den qualitativen Eigenschaften des Lebens. ("Herztod")

Dem gegenüber stehen neuere Bestrebungen, das Leben für beendet zu erklären, wenn keine Hirnströme mehr zu messen sind. ("Hirntod")

Es ist bekannt, daß hinter diesem Streit mächtige Interessen von Vertretern des Wissenschaftsbetriebes stehen, denen an einer möglichst frühzeitigen Organentnahme gelegen ist.
Zwischenstand:
Wir sind in der Entwicklung des Menschenbildes erst bei der zweiten Stufe angelangt und bereits hier ist es uns möglich, rein von der Logik her, die Verheerungen zu erkennen, die ein eigeschränktes, um nicht zu sagen ideologisches Bild vom Menschen, anrichten kann.
Ausblick:
In früheren Jahrzehnten wurde die Landwirtschaft in bestimmter Weise subventioniert und es entstand durch Überproduktion der sog. "Butterberg". Der Begriff war damals zwar in aller Munde, aber keineswegs allen war die Obszönität dieses Begriffes bewußt, angesichts des Hungers in der Welt.

Es steht zu befürchten, daß der Begriff "Altenberg" bald in ähnlicher Weise die Runde macht. Der Begriff des "alten Eisens" ist jedenfalls heute schon jedem geläufig. Vom "Altenberg" ist die Assoziation des "Müllberges" nicht weit entfernt. Von da an ist es nur ein kleiner Schritt zur Euthanasie.

Tatsächlich ist ein erster Schritt in diese Richtung schon getan!
Er nennt sich heute jedoch aus naheliegenden Gründen nicht Euthanasie, sondern "Humane Sterbehilfe".
In den Niederlanden ist es heute schon so, daß jährlich Menschen
sterben, gegen ihren Willen, durch Euthanasie.
(griechisch ευθανασία, von eu~ - gut, richtig, leicht und thanatos - der Tod)

Mit diesem Beispiel sollte gezeigt werden, welche praktischen Auswirkungen ein ideologisches Menschenbild auf das Leben des Einzelnen haben kann und wie ein phänomenologisches Menschenbild Urteilsgrundlagen schaffen kann, um Ideologien besser zu durchschauen.
Zurück zur Startseite Ägypten
Weiter zum Menschenbild, Der fühlende Mensch
(Der Beitrag ist noch nicht fertiggestellt)