Echnatons Impuls

oder

"Was wäre gewesen wenn...?“

Es ist immer wieder die Frage aufgeworfen worden, ob nicht dieser Impuls, der häufig als Vorläufer eines (johanneischen) Christentums verstanden wurde, zur Blüte hätte kommen können, wenn Echnaton länger gelebt hätte, wenn sich dieser neue Impuls hätte ausbreiten und festigen können.

Welche Voraussetzungen wären dafür nötig gewesen?

Von Echnatons Seite waren diese zweifellos vorhanden. In ihm war eine außergewöhnliche seelisch - geistige Konfiguration gegeben, welche sich bereits aus dem sippen- und blutgebundenen Bilderbewußtsein gelöst hatte und welche zu einem individuellen Ichbewußtsein[1] mit klaren Gedanken und Begriffen fähig war (siehe sein Sonnengesang). Dies war aber im allgemeinen Volkskörper -n i c h t- der Fall. Hier war die über 1000 jährige alte Bewußtseinslage noch voll wirksam und gewissermaßen fest in den Seelen verankert, um nicht zu sagen: eingebrannt.

Der Entzug der Bilder, des einzig verständlichen Bewußseinsinhaltes des Stierzeitalters, war schon damals nicht nur eine Überforderung, sondern geradezu eine Tortour (und wäre es sogar für viele (Fernseh-) Menschen auch heute noch). Ein leeres Bewußtsein führt im allgemeinen beim meditativ nicht geschulten Menschen zu Bewußtlosigkeit oder zumindest zum Schlaf. Jemand, der einem solchen Bewußtsein die Bilder entzog, speziell die Götterbilder, beraubte ihn vollständig der Möglichkeit, die eigenen Existenzgrundlagen (für den Ägypter war das ja die geistig- göttliche Welt) zu erleben und im Rahmen seines Bildbewußtseins zu begreifen. Nach damaliger Auffassung und Bewußtseinslage mußte Echnaton unbedingt als Ketzer empfunden werden. Und so wurde er dann schon unter Tut-anch-Amun auch genannt. (Man stelle sich nur einmal vor, was geschähe, wenn heute innerhalb weniger Jahre der Fernseher, die Spielekonsole, der Rechner verboten und abgeschafft werden würde.)

Dennoch, nach genügend langer Zeit hätte doch, so könnte man meinen, eine gewisse Gewöhnung, vielleicht sogar Entwicklung eintreten können. In der Geschichte finden sich ja genügend Beispiele dafür, daß sich Neues nach und nach durchsetzen konnte. In gewissen Grenzen wäre das sicherlich auch hier der Fall gewesen. Für einen wirklichen Erfolg im Sinne eines echten Menschheitsfortschrittes, hätte aber noch eine weitere Voraussetzung gegeben sein müssen.

Da sich ein Organismus in allen seinen Teilen abbildet, muss für eine neue seelische Fähigkeit auch eine Entsprechung im physischen Teil zu finden sein. In diesem Falle also im Gehirn.

Ein Gehirn, das lediglich in der Lage ist, Bilder zu spiegeln, verfügt deswegen noch nicht über die Möglichkeit abstrakte Begriffe und Gedanken zu reflektieren. Dies leuchtet unmittelbar ein, denn auch ein Kleinkind kann das noch nicht. Dazu muss erst die andere Gehirnhälfte entsprechend geprägt und ausgebildet sein. Auf ihrem damaligen Entwicklungsstand konnte die ägyptische Physiologie dies gar nicht leisten. 

Der Impuls Echnatons konnte sich daher innerhalb der ägyptischen Kultur nicht verwirklichen. 

Das wird besonders dort deutlich, wo die Geschichte einer solchen Prägung der physischen Grundlage (= des Gehirns) beschrieben wird. Im Alten Testament:

Um ein zu voller Abstraktion fähiges Gehirn auf dem Vererbungswege heran zubilden (wir erinnern uns: „Du sollst dir kein Bild machen!“), werden von Abraham bis Jesus 42 Generationen benötigt. Gleich im ersten Buch des Neuen Testaments (Matthäus) wird dann in fast ermüdender Genauigkeit der stellenweise nicht unkomplizierte Gang dieses Vererbungsstromes beschrieben, der zur Erreichung eines zur Abstraktion und zu vollem Ichbewußtsein fähigen Menschen nötig war.[2]

Nebenbemerkung:
Nach einer Mitteilung von R. Steiner bleibt ein vererbbares Merkmal bis zu 42 Generationen im Vererbungstrom erhalten, oder anders herum: nach 42 Generationen ist es nicht mehr vorhanden. Dies war offenbar auch die ägyptische Auffassung. Nach den ausführlichen Regeln des ägyptischen Totenbuches (Amduat) mußte sich der Verstorbene vor den Repräsentanten der letzten 42 Generationen, den 42 sog. Totenrichtern, rechtfertigen[3]

[1]Der Begriff „Ich“, bzw. „Ichbewußtsein“ wird hier und in allen anderen Ausführungen für den  eigentlichen, unvergänglichen Wesenskern des Menschen gebraucht. Davon wohl zu unterscheiden ist das „Ego“ als Träger  von Instinkten, Trieben, Begierden usw., die nach dem physischen Tode nach und nach abgelegt werden. Im Gegensatz zum Ich-Kern, spricht man daher beim Ego auch von den Hüllen, bzw. von der Hüllennatur des Menschen.

[2]Das war, dem oben Gesagten zu Folge, Echnaton zwar auch, er hatte ja sein Bilderbewußtsein gewissermaßen geopfert, (siehe Startseite: Echnaton - der Schritt zum Individuum) aber im hebräischen Blutsstrom war nicht nur ein Einzelmensch, sondern eine ganze Volksgemeinschaft auf diese Stufe zu bringen.

[3]Nur am Rande sei vermerkt, daß Ägypten auch aus 42 Gauen bestand.

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